- Friedensnobelpreis 1957: Lester Bowles Pearson
- Friedensnobelpreis 1957: Lester Bowles PearsonDer Kanadier wurde für seine Leistungen beim Aufbau internationaler Organisationen zur Friedenssicherung und seinen Anteil an der friedlichen Lösung des Suezkonflikts geehrt.Lester Bowles Pearson, * Toronto 23. 4. 1897, ✝ Rockcliffe Park (bei Ottawa) 27. 12. 1972; 1928 Eintritt in den diplomatischen Dienst, 1942-46 kanadischer Minister und Botschafter in Washington D.C., 1946-57 Staatssekretär, später Außenminister und Kanadas Chefdelegierter bei den Vereinten Nationen, 1958-68 Vorsitzender der Liberalen Partei, 1963-68 Premierminister.Würdigung der preisgekrönten LeistungKanada gehört zu den Gründungsmitgliedern der Vereinten Nationen, und fast immer, wenn in der Nachkriegszeit UN-Friedenstruppen zu Einsätzen in die zahlreichen Krisenherde der Welt ausrücken mussten, waren kanadische Soldaten dabei, etwa im Kongo, auf Zypern, im Iran und im Irak, in Kroatien oder in Bosnien-Herzegowina. Die ersten kanadischen »Blauhelme« nahmen bereits Ende der 1940er-Jahre an den UN-Missionen in Palästina sowie an der Grenze zwischen Indien und Pakistan teil. Kanada beteiligt sich, vor allem seit der Suezkrise, verstärkt mit eigenen Truppenkontingenten an Friedenseinsätzen — wohl nicht zuletzt, weil der Mann, der die Krise damals beilegte, ein Kanadier war: Lester Bowles Pearson.Der Konflikt, in den 1950er-Jahren einer für den Weltfrieden gefährlichsten, entzündete sich am Suezkanal, dem strategisch enorm bedeutenden Nadelöhr an der Nahtstelle von Asien und Afrika. Seit dem Ende des Palästinakriegs (1948/49) hatte Ägypten den Kanal für israelische Schiffe gesperrt. Im Juli 1956 erließ der ägyptische Präsident Gamal Abd el-Nasser ein Gesetz, durch das die wichtige Schifffahrtsroute verstaatlicht wurde, ohne die britischen und französischen Aktionäre der Suezkanalgesellschaft zu entschädigen. Auf drei Konferenzen versuchten die beteiligten Parteien bis Oktober 1956 den Konflikt zu lösen — ohne Erfolg, denn Nasser wollte auf die für den Bau des gigantischen Assuan-Staudamms benötigten Einnahmen aus dem Kanal nicht verzichten. Großbritannien und Frankreich waren an einer friedlichen Beilegung ebenfalls nicht sonderlich interessiert. Sie zogen vielmehr in Erwägung, die Suezkrise mit militärischen Mitteln zu beenden und das Nasser-Regime, das jetzt den Weg zu den Erdölfeldern im Nahen Osten kontrollierte und unter anderem die Nationale Befreiungsfront FLN in der französischen Kolonie Algerien unterstützte, zu stürzen. Den dafür passenden Anlass lieferte Ende Oktober 1956 ein israelischer Angriff auf den Gazastreifen und die Halbinsel Sinai, woraufhin britische und französische Truppen in der ersten Novemberwoche ägyptische Städte bombardierten und die Kanalzone besetzten.Lester Bowles Pearson, damals kanadischer Außenminister und Kanadas Chefdelegierter bei den Vereinten Nationen, erkannte den Ernst der Lage und versuchte, in pausenlosen Verhandlungen einen Entschluss der UNO gegen die Aggression herbeizuführen. Mit Rückendeckung der USA und der Sowjetunion gelang ihm der Versuch: Der Angriff wurde in der Resolution vom 2. November 1956 verurteilt. Briten, Franzosen und Israelis wurden zur sofortigen Einstellung der Kampfhandlungen und zum Rückzug aus den besetzten Gebieten aufgefordert. In einer weiteren Resolution einigten sich die UN-Abgeordneten auf die Aufstellung einer Eingreiftruppe, die den Waffenstillstand und den vollständigen Rückzug der Angreifer von ägyptischem Boden überwachen sollte, was bis zum März 1957 geschah.Zum Frieden gibt es keine AlternativeDas friedliche Ende der Suezkrise, im Wesentlichen eine diplomatische Leistung des kanadischen Außenministers, galt Mitte der 195oer-Jahre als großer Sieg der Vereinten Nationen. Erstmals hatte die Staatengemeinschaft bewiesen, dass sie — ganz im Gegensatz zum Völkerbund, der in dieser Beziehung nur Niederlagen hinnehmen musste — eine ernste internationale Krise durch beherztes Eingreifen bewältigen und Aggressoren zügeln konnte. Für Lester Bowles Pearson bedeutete der Erfolg der UNO die Krönung seiner Laufbahn, in der er schon als junger Diplomat mit den Problemen der Friedenssicherung in Berührung gekommen war. 1933/34 nahm er an der Weltabrüstungskonferenz in Genf teil, 1935 an einer Konferenz in London, die bescheidene Erfolge bei der Abrüstung auf den Weltmeeren erzielte, und im selben Jahr an der 16. Versammlung des Völkerbunds. In den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs gehörte Pearson zu den Teilnehmern einer Reihe von Konferenzen, auf denen mit Blick auf die verheerenden Kriegsschäden die Gründung verschiedener Organisationen zur Sicherung der Welternährung und zum Wiederaufbau der im Krieg zerstörten Volkswirtschaften diskutiert und beschlossen wurde. Beispielsweise waren dies die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO und die UNRRA (United Nations Relief and Rehabilitation Administration), die nach Kriegsende Millionen Kriegsgefangene und Zwangsverschleppte betreuten.Die Gründung der NATO, die im April 1949 besiegelt wurde, war ebenfalls ein wichtiges Anliegen des damaligen kanadischen Außenministers, wobei Pearson in der Organisation nicht nur ein Sicherheitsbündnis, sondern auch eine Vereinigung gleichberechtigter Staaten mit gemeinsamen wirtschaftlichen und kulturellen Zielen sah. Die Sicherung des Friedens stand für ihn allerdings an erster Stelle, denn in einer Zeit, in der die Großmächte mit Atomwaffen aufrüsteten, gab es für ihn keine Alternative zum Frieden mehr. Die Menschheit konnte sich keine Fehler und Versäumnisse bei der Friedenssicherung mehr leisten.Sportsmann und PolitikerMenschen, die Lester Bowles Pearson kennen lernten, waren vor allem von der Beharrlichkeit beeindruckt, mit der er seine Ziele verfolgte: Niemals aufgeben war sein Motto, auch mit dem kleinsten Schritt in die richtige Richtung war er zufrieden. Mit dieser sportlichen Einstellung mag er 1924 als Angehöriger des britischen Eishockey-Teams bei den ersten Olympischen Winterspielen in Chamonix ins Spiel gegangen sein. Großbritannien gewann damals hinter Kanada und den USA immerhin die Bronzemedaille.In seiner späteren Laufbahn als Diplomat und Politiker wusste Pearson aber auch mit Enttäuschungen umzugehen. Im selben Jahr, in dem die Suezkrise mit friedlichen Mitteln beigelegt wurde, schlugen sowjetische Truppen den Aufstand der Ungarn blutig nieder. Die von der UN-Kommission 1947 vorgeschlagene Teilung Palästinas zog eine Kette von Kriegen zwischen Israel und den arabischen Staaten nach sich, und im Konflikt zwischen Nord- und Südkorea kommen sich die verfeindeten Brüder und Schwestern erst zu Beginn des 21. Jahrhunderts, nach fast 50-jähriger Teilung, allmählich näher.Nach seiner Amtszeit als Außenminister und Diplomat wandte sich Pearson vermehrt politischen Aufgaben im eigenen Land zu, übernahm den Vorsitz der Liberalen Partei und 1963 das Amt des Ministerpräsidenten. Die Erfolge, die er in den folgenden fünf Jahren bis zu seinem endgültigen Rückzug aus der Politik erzielte, sind ebenfalls bemerkenswert. So konnte er beispielsweise eine bessere Altersversorgung der Kanadier durchsetzen. Am meisten bewegte die Nation jedoch der Flaggenstreit, den die liberale Regierung am 15. Februar 1965 für sich entscheiden konnte. Seither ziert ein rotes Ahornblatt auf weißem Grund die kanadische Flagge.P. Göbel
Universal-Lexikon. 2012.